@ Michael Schilwa und alle Anderen
Die “sozialistische Demokratie” ist nicht einfach mein “Lieblingsthema”, wie da verniedlichend gesagt wird, sondern sie ist für mich – und das sollte es eigentlich für die gesamte revolutionäre Linke sein – ein aller erstrangiges strategisches Problem, das es endlich zu verarbeiten gilt, weil an diesem Problem, mehr als an jedem anderen, die gesamte sozialistische Weltbewegung des 20. Jahrhunderts zu Grunde ging und weil ohne glaubwürdige Lösung dieses Problem der Sozialismus in jeder modernen Gesellschaft schlicht und einfach unmöglich sein wird.
Und ein Teil dieser Lösung besteht darin, dass die revolutionäre Linke endlich mal zur Kenntnis nimmt und zugibt, dass es zwischen Luxemburg und Lenin tatsächlich einen für die
Praxis tiefen und ernsthaften Gegensatz gab gerade in der Demokratiefrage. Dass die Klassenfeinde solche Gegensätze immer auszunutzen versuchen, wissen wir, sind aber kein Argument bezüglich der Sache, sondern ein leider häufig gebrauchtes billiges Ablenkungsmanöver, um nicht wirklich auf die Ernsthaftigkeit der Inhalte eingehen zu müssen. Der Gegensatz zwischen Lenin und Luxemburg ist der Gegensatz zwischen den
tendenziell mehr oder weniger stark autoritären und den tendenziell eher libertären Strömungen innerhalb der sozialistischen Weltbewegung, nicht mehr und nicht weniger!
Es stimmt keineswegs, dass man in den Werken der Klassiker für fast jede Position irgendwo Belege findet. Wenn man SERIÖS zitiert – d.h. die Sätze nicht aus dem Zusammenhang reisst, die zitierten Stellen in Verbindung zu der damaligen Situation und Debatte stellt und den 20 jährigen Marx/Lenin/Rosa nicht einfach mit dem/der 40- 50 jährigen in einen Topf schmeisst und trotzdem allgemeine Tendenzen bei einer Persönlichkeit wahrnimmt – dann trifft dies eben ganz entschieden nicht zu. Dann nimmt man nämlich wahr, dass bei einem Lenin über sein ganzes Werk, seine Praxis und seinen ganzen Lebenslauf stark autoritäre Züge ÜBERALL vorhanden sind, ebenso wie man bei Rosa die Libertären. Das ist mit mitnichten eine Fata Morgana, wie Schilwa das meint.
Natürlich war Rosa eine leidenschaftliche Verteidigerin der Russischen Revolution, natürlich war Rosa keine Pazifistin und natürlich war sie richtigerweise auch für erbarmungslose Gewaltanwendung gegen Machtpositionen und Institutionen des Kapitals und der Konterrevolution, was nicht ganz das Gleiche ist wie Gewalt gegen Personen, obwohl sie auch dies realistischerweise nicht absolut ausschloss, aber gleichzeitig vor der Gefährlichkeit einer solchen Dynamik warnte.
Auch die alte im trotzkistischen Milieu immer wieder heruntergebetene schönfärberische Legende vom “zeitweiligen Fraktionsverbot” als dem “schwersten Fehler” der Bolschewiki ist völlig unhistorisch. Der schwerste Fehler der Bolschewiki war die von Lenin persönlich vorangetriebene, verantwortungslose und unnötige Spaltung mit den linken Sozialrevolutionären und ihre darauf folgende Vernichtung, was der Vernichtung der.der Sowjets gleichkam, da die linken Sozialrevolutionäre 35% der
Sowjets stellten. Dies geschah zwischen März und Juli 1918! Das
Fraktions-verbot von März 1921 war in diesem Sinne tatsächlich nur “die logische Konsequenz” einer Dynamik der bolschewistischen Partei bezüglich sozialistischer Demokratie.